Berliner Zeitung, 23.03.2010 von Anne Brüning 

Artikel - Was wirklich gegen Falten hilft 

14.08.2015 

NUR WENIGE WIRKSTOFFE AUS ANTI-AGING-CREMES BREMSEN NACHWEISLICH DIE HAUTALTERUNG

Was wirklich gegen Falten hilft

 

Ob im Drogeriemarkt, in der Parfümerie oder in der Apotheke -das Angebot an Cremes gegen Hautalterung ist groß. Sie sollen Falten bekämpfen und die Haut straffen. Die Namen der beworbenen Inhaltsstoffe klingen zumeist gut und gesund: Grünteeextrakt, Isoflavone, Coenzym Q10. Ob die häufig sehr teuren Anti-Aging-Cremes aber auch halten, was sie versprechen, lässt sich für Verbraucher nur schwer überprüfen. Die Gesellschaft für Dermopharmazie bietet Experten und interessierten Laien nun eine Orientierungshilfe im Dschungel der Kosmetikprodukte. Sie hat eine Leitlinie über Dermokosmetika gegen Hautalterung erstellt, in der Erkenntnisse zur Wirksamkeit der einzelnen Anti-Aging-Substanzen aufgelistet sind. Tatjana Pavicic von der Klinik für Dermatologie der Ludwig-Maximilians-Universität München stellt die Ergebnisse am morgigen Mittwoch in Berlin auf dem Kongress der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) vor. Die Expertin für ästhetische Dermatologie hat zusammen mit Kollegen der GD-Fachgruppe Dermokosmetik Literaturdatenbanken nach Studien zur Wirksamkeit von Anti-Aging-Substanzen durchforstet. Das Ergebnis: Lediglich fünf Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen sind uneingeschränkt empfehlenswert, weil sie unter strengen Bedingungen -in sogenannten placebokontrollierten Doppelblindstudien -an menschlicher Haut getestet wurden. Die fünf Wirkstoffe dieser Kategorie 1a sind: Vitamin A, Vitamin-A-Derivate wie Retinol und Retinaldehyd, Vitamin C, Alpha-Liponsäure sowie bestimmte Aminosäureketten, insbesondere Pentapeptide. Placebokontrollierte Doppelblindstudien sind in der Medizin schon lange Goldstandard für Medikamententests. Dabei wird ein Wirkstoff mit einem Scheinpräparat (Placebo) verglichen und weder Arzt noch Testperson wissen, wer zur Wirkstoff- und wer zur Placebogruppe gehört. Bei Kosmetiktests dient die Grundrezeptur der zu testenden Creme als Placebo -also die Basiszutaten ohne den Anti-Aging-Stoff. Pavicic rät Verbrauchern beim Cremekauf zu einem genauen Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe, Inci genannt. "Wenn eine Anti-Aging-Creme einen Wirkstoff aus der Kategorie 1a enthält, kann man davon ausgehen, dass das Produkt wirksam ist", sagt Pavicic. Allerdings müsse die Substanz in ausreichender Konzentration in dem Produkt enthalten sein. Angaben darüber finden sich sehr selten auf der Verpackung. "Da hilft nur, in unserer Leitlinie die Konzentration nachzuschlagen und sich dann beim Verkaufspersonal oder beim Hersteller zu erkundigen", sagt Pavicic. Auch Wirkstoffe der Kategorie 1b stuft die Kosmetikexpertin als wirksam ein. "Sie wurden ebenfalls an menschlicher Haut erfolgreich getestet, allerdings nicht in placebokontrollierten Doppelblindstudien", erläutert Pavicic. Bei Cremes mit Wirkstoffen aus dieser Kategorie könne man nicht sicher sein, ob es wirklich die jeweilige Substanz ist, die der Hautalterung vorbeugt oder die Grundrezeptur der Creme. Zur Kategorie 1b gehören Vitamin E und dessen Abkömmlinge, Vitamin B3, Dimethylaminoethanol, Phytohormone wie Isoflavone und Lignane sowie Hyaluronsäure. Eine bestimmte Form der Hyaluronsäure hat allerdings gute Chancen bei der nächsten Überarbeitung der Leitlinie in die Kategorie 1a aufzurücken. Pavicics Institutskollege Gerd Gauglitz stellt morgen auf dem GD-Kongress eine placebokontrollierte Studie vor, in der die Substanz ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt hat. "Wir haben Fragmente der Hyaluronsäure untersucht, die ein bestimmtes Molekulargewicht haben -und zwar 50 Kilodalton", berichtet Gauglitz. Hyaluronsäuremoleküle dieser Größe dringen offenbar besonders gut ein und entfalten so ihre glättende Wirkung. Bei Wirkstoffen aus der Kategorie2 dagegen hält sich Pavicic mit einer Empfehlung zurück. In diese Kategorie wurden Substanzen eingestuft, die lediglich im Labor an Zellkulturen ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben. Dazu gehören populäre Stoffe wie das von vielen Firmen verwendete Coenzym Q10 und die Gruppe der pflanzlichen Polyphenole -also Grünteeextrakt, Ginkgo, Resveratrol aus Trauben und Aloe Vera. "Diese Substanzen müssen nicht zwangsläufig schlecht sein, es gibt aber auch keinen Nachweis, dass sie in der Haut dorthin gelangen, wo sie wirken sollen", sagt Pavicic. -€ƒZu den Substanzen, für die die Forscherin keinerlei Nachweise für einen Anti-Aging-Effekt finden konnte (Kategorie 3), gehören Extrakte aus Calendula sowie Oliven- und Mandelöl; aber auch die große Gruppe der patentgeschützten firmenspezifischen Wirkstoffe, über die es keine frei zugänglichen Informationen gibt. "Dabei handelt es sich häufig um Stoffe oder Stoffgemische, die auf Vorbildern aus der Natur basieren", sagt Pavicic. Sie geht davon aus, dass darunter viele wirksame Substanzen sind. "Nachprüfen lässt sich das allerdings nicht." Auch von der wirksamsten Creme dürfe man allerdings keine Wunder erwarten, sagt Tatjana Pavicic. "Kleine Falten lassen sich damit leicht verringern, gegen tiefe Falten können Cremes aber nichts ausrichten", sagt die Expertin. Sie geht davon aus, dass sich die Hautalterung mit guten Cremes um einige Jahre verzögern lässt und rät, früh mit Anti-Aging-Pflege anzufangen. "Ab Mitte zwanzig oder Anfang dreißig sind solche Produkte angebracht", sagt Pavicic. Wie schnell die Haut altert, hänge allerdings auch stark von den Genen ab und von den Gewohnheiten. "Wer seine Haut häufig ungeschützt der Sonne aussetzt, dem helfen auch die besten Anti-Aging-Cremes nicht viel", sagt Pavicic. Der beste Schutz gegen Hautalterung sei ohnehin die Verwendung von Sonnencreme. "Vor allem die UV-A-Strahlen tragen ansonsten stark zur Hautalterung bei", sagt Pavicic. Einige Anti-Aging-Cremes enthalten aus diesem Grund zusätzlich UV-A- und UV-B-Filter. Eine solche Kombination findet Pavicic durchaus sinnvoll. "So kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen." Wie die Haut altert Mit dem Alter werden die Zellen der Haut und des darunter liegenden Bindegewebes trockener und weniger elastisch. Die Haut bildet Falten. Äußere Faktoren beschleunigen die Hautalterung: Hitze, Kälte, Stress, Alkohol- und Nikotingenuss hinterlassen ihre Spuren. Vor allem aber lässt Sonnenlicht die Haut frühzeitig altern. Ob eine Creme einen Anti-Aging-Effekt hat, lässt sich mit objektiven biophysikalischen Methoden prüfen. Wie sich die Faltentiefe verändert, ermittelt die Profilometrie. Dabei wird die Haut (oder ein Silikonabdruck der Haut) aus verschiedenen Richtungen beleuchtet und die Tiefe der Falten gemessen. Die Elastizität der Haut wird per Cutometrie erfasst. Durch Ansaugen eines Hautbereichs mit Unterdruck lässt sich feststellen, wie viel Kraft nötig ist, um die Haut zu bewegen. Bei elastischer Haut ist mehr Kraft nötig (junge Haut).